„Ich will endlich Gas geben“ – JULIA KOMP: Eine Sterneköchin in den Startlöchern

„Ich will endlich Gas geben“ – JULIA KOMP: Eine Sterneköchin in den Startlöchern

Foto: Marvin Evkuran, zur Verfügung gestellt von Julia Komp |

Es ist einer der ersten schönen und frühsommerlichen Tage des Jahres, als ich das Mülheimer Rheinufer entlang spaziere. Und schon von weitem höre ich die sommerliche Clublounge Musik, die aus einer Box beim Streetfood-Lokal Anker 7 tönt, kommen mir erste Menschen mit einem Aperol Spritz entgegen spaziert. Kurz habe ich dieses längst vergessene Gefühl von Sommerurlaub.  

Da muss Julia Komp lächeln. „Das ist genau das, was wir wollen: Die Menschen auf eine kulinarische Reise mitnehmen. Gerade in diesen Tagen, aber auch nach Corona.“

Das Anker 7 und das daran angrenzende Restaurant Lokschuppen hat Julia Komp Ende 2020 eröffnet. Ersteres ist eine Art Streetfood-Kiosk: Bevor ich Julia hier zum Interview treffe, widerstehe ich zwar dem Aperol Spritz, gönne mir aber eine Coke und muss mich entscheiden zwischen Gioza auf Spargelsalat, der „besten Currywurst der Stadt“ mit Handcut Fries oder einem Tortilla Wrap mit Garnele, Mangosalsa und Avocado. Da flackert es kurz wieder auf, mein Urlaubsgefühl.

Zweiteres, das Restaurant Lokschuppen, ist in einem denkmalgeschützten, ehemaligen Lokschuppen entstanden. Statt der kleinen Tische, die künftig rund 50 Gästen Platz bieten sollen, sind hier aktuell lange Tischtafeln aufgereiht, an denen das Lokschuppen Team an Samstagen das Menü-To-Go zusammenpackt. „Damit schicken wir unsere Gäste in 4 Gängen einmal um die Welt. Dann startet man beispielsweise mit einer indischen Vorspeise, zum Zwischengang erlebt man thailändische Einflüsse, dann fahren sie nach Japan und über den Orient geht es dann zum Dessert nach Hause“, erklärt Julia.

Wir nehmen Platz auf in einer Sofa-Ecke, die am Eingang steht: Das große Tor des Schuppens ist ersetzt worden durch eine Glaswand, die einen herrlich freien Blick preisgibt über den Rhein und den Dom. Der Designmix aus altem Gemäuer und moderner Einrichtung, Backstein und Goldelementen erinnert mich an modere Bars und Restaurants im mittlerweile hippen Brooklyn – und ist übrigens erst kürzlich ausgezeichnet worden: Der Lokschuppen zählt seit diesem Jahr auch offiziell zu einem der „schönsten Bars & Restaurants in Deutschland“, einer jährlichen Gastrodesign-Auszeichnung des Callwey Verlags. „Ja, das freut uns“, sagt Julia. „Aber noch mehr würde es uns natürlich freuen, wenn unsere Gäste das alles endlich einmal selbst erleben könnten.“

Julia und ihr Team stehen seit einem Jahr in den Startlöchern. Bereits Ende 2019 wurde ihr Restaurant in der Gastroszene groß angekündigt und heiß ersehnt. Deutschlands jüngste Sterneköchin – ihren ersten Michelin-Stern holte Julia 2016 für Schloss Loersfeld in Kerpen – sollte im Lokschuppen endlich ihr eigenes Restaurant eröffnen.

Auf der Suche nach dem „echten Geschmack“

Und auch Julia selbst hatte sich lange darauf vorbereitet. 2019 ließ sie Titel und Küche zurück, um für rund 1 Jahr zu reisen und so die Küchen von rund 35 Ländern besser kennen zu lernen. Ein großer Schritt, ein mutiger Schritt für eine junge, erfolgreiche Sterneköchin, ein Schritt gerade noch zur rechten Zeit aus heutiger Pandemieperspektive, für Julia aber vor allen Dingen wichtig, um sich persönlich weiterzuentwickeln.

Ob als Gastköchin, Praktikantin, Restaurant- oder Marktbesucherin: insbesondere in asiatischen Ländern sammelte Julia Inspirationen, Anregungen und neue kulinarische Ideen, stets auf der Suche nach dem, wie sie es nennt, „echten Geschmack“. „Ich habe ja schon vor meiner Reise ‚asiatisch‘ gekocht“, sagt Julia und hebt die Finger dabei zu Anführungszeichen. „Aber was heißt das eigentlich? Das ist, als würde ich sagen, ich koche europäisch: Ist das dann Pizza? Gyros? Sauerbraten? Auf meiner Reise wollte ich noch tiefer in die jeweiligen Küchen eintauchen. Ich wollte einmal verstehen, wie richtig und traditionell in diesen Küchen gekocht wird, damit ich Gerichte neu interpretieren kann“, erklärt Julia.

Anfang 2020 war sie also wieder bereit, in ihrer Heimat Köln durchzustarten. Gastrokritiker prophezeiten ihr schon den erneuten Stern – doch mit Corona kam alles anders. Der Lokschuppen konnte nur kurz im vergangenen Jahr öffnen. Das Team sortierte sich neu, bot Online-Tee-Tastings an, verkauft Olivenöl im Onlineshop und bietet To-Go Menüs zum Abholen an.

Dann gibt es Julias Interpretationen asiatischer Küche, beispielsweise Som Tam. „Den thailändischen Papayasalat kennen sicher viele. Aber hier eine richtig leckere Papaya zu essen ist praktisch unmöglich. Ich interpretiere das Gericht daher um: Wir machen Som Tam mit Butternutkürbis und wecken mit Mango, Fischsauce, Chilli, Zitronengras und Thaibasilikumcreme ein echtes Urlaubserlebnis“, erzählt Julia.

An schönen Tagen macht außerdem der Anker 7 auf, um Spaziergängern ein bisschen Urlaubsgefühl mitzugeben.

„Wir tun wirklich viel, um für unsere Gäste schon jetzt da zu sein. Aber um ehrlich zu sein, kann ich es kaum erwarten, endlich zu öffnen“, sagt Julia. Man merkt, zufrieden ist sie nicht. Die Weltreise, der Koffer voller Ideen, die Leidenschaft, die Sterneambition: mit all dem steht Julia nach wie vor in den Startlöchern. Sie wartet nur darauf, dass die Pandemie sich legt. „Ich will endlich Gas geben, für meine Gäste kochen und ihnen zeigen, was wir alles können.“

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