Ginsanity – eine verrückte Geschichte von gefährlich gutem Gin aus Köln
Fotocredit: Jennifer Fey, zur Verfügung gestellt von Dagmar Frangenberg |
Ich weiß noch, dass ich zu Beginn der Pandemie sehr motiviert in den Home-Office-Alltag eingestiegen bin. Mit Hilfe einer App strukturierte ich mich neu, ging spazieren und dreimal die Woche joggen. Doch je länger Pandemie und Lockdown anhielten, desto mehr nahm meine Motivation ab. Und dann kam der Winter. Ich musste neue Anreize fürs Spazierengehen schaffen. Als ich einer Freundin meinen Home-Office-Winter-Blues plagte, kam uns eine wahre „Schnapsidee“: wir starteten After-Work-Glühgin-Wanderungen.Immer in der Thermoskanne dabei: die Hot Fusion von Ginsanity, aufgegossen mit warmem Apfelsaft.
Klar, dass ich die Menschen hinter Ginsanity für diesen Blog also einmal kennen lernen muss. Ich treffe Dagmar Frangenberg, Gründerin und Geschäftsführerin von Ginsanity, in ihrer Manufaktur in Braunsfeld. Hier produzieren sie und ihr Mann Michael in einer hauseigenen Destille ihren Gin in kleinen aber feinen Badges von 120 Flaschen pro Durchlauf. Außerdem gibt es einen kleinen Laden im Eingangsbereich, in dem man mittlerweile 7 Sorten Ginsanity Gin kaufen kann sowie alles, was zu einer „gintastischen Welt“, wie Dagmar es nennt, dazugehört: Gin-Glaskugel-Portionierer, Gingläser, Ginschokolade oder Thermosbecher für den Glühgin. Schon beim Eintritt in den Shop duftet es herrlich nach dem limettig-frischen Aroma der Hausmarke, dem CGN Dry Gin. Beste Voraussetzungen für ein gin-seliges Gespräch am Morgen.
Die Geschichte von Dagmar, Michael und Ginsanity ist etwas verrückt. Sie beginnt 2014 mit einem eben solchen gin-seligen Gespräch mit einem Glas Gin Tonic – und mit einer „Schnapsidee“. „Wir waren beide schon immer leidenschaftliche Gin-Genießer, auch schon bevor der Gin Tonic vor einigen Jahren sein Longdrink-Revival hatte“, erzählt Dagmar. „Gerade an Flughäfen gibt es ja immer spannende Sondereditionen von Destillerien. Die haben wir dann mit nach Hause gebracht und verkostet. Aber ich habe immer wieder festgestellt, dass du die meisten Gins nicht pur trinken kannst. Das hat mir nie eingeleuchtet. Ich esse doch auch kein Fleisch, dass mir nur schmeckt, wenn ich ganz viel Soße darüber schütte. Und dann sagte mein Mann: ‚Na, dann machen wir eben unseren eigenen Gin.‘“
Und dann passierte etwas Verrücktes
Klingt verrückt? Tatsächlich setzen Dagmar und Michael – sie arbeitet damals hauptberuflich als Journalistin und Dokumentarfilmerin, er ist Einkaufsdirektor – ihren Plan in die Tat um: Drei Jahre lang fuchst sich das Paar in das Handwerk und die perfekte Ginrezeptur, mit zahlreichen Kursen, Brennereibesuchen, viel Leidenschaft und Herzblut – und einer kleinen Destille, mit der sie zunächst in ihrer eigenen Küche brennen. „Ihr seid doch verrückt“, sagten auch Freunde des Paares – womit der Name für den eigenen Gin geboren war: Gin-sanity, ein Wortspiel aus „Gin“ und „Insanity“ (engl. für „Wahnsinn“). Das Besondere: Dagmar und Michael nutzen nicht, wie sonst üblich, nur die Schalen von Früchten, um ihrem Gin Aroma zu verleihen, sondern die ganze Frucht. So entstand das weiche, aber frisch-limettige Aroma des CGN Dry Gin, dem ersten Ginsanity Gin, der auch pur ein absoluter Genuss ist.
„Ich glaube ja nicht an Zufälle, sondern daran, dass sich einfach alles zum Guten fügt. Und so war es: im Haus nebenan wurde ein Keller frei. Das war perfekt, denn der Raum erfüllte alle Bedingungen, damit wir dort brennen konnten. Und: Das Babyphone reichte dort gerade hin. Also konnten wir unsere Tochter abends ins Bett bringen und dann in den Keller zum Brennen gehen“, erzählt Dagmar und lacht dabei.
Das erste produzierte Badge verkaufte das Ehepaar 2017 auf dem Straßenfest auf der Dürener Straße in Lindenthal. Dafür kreierte Dagmar sogar eigene Ginflaschen. „Mir war wichtig, dass unser Design widerspiegelt, dass hinter dem Gin eine Gründerin steht: Deswegen haben wir uns für Flaschen entschieden, die rund und feminin in der Haptik sind. Und ich wollte eine Frau auf dem Etikett. Unsere ‚Ginny‘ steht für Gin und Insanity, sie sieht ein bisschen verrückt aus – und wie eine Frau, bei der du mit allem rechnen musst“, erklärt sie. Gin auf dem Straßenfest? Ich erinnere mich, damals habe ich nämlich noch in Lindenthal gewohnt. Gin auf einem Straßenfest, in einem eher gediegenen Familienviertel, das war neu, das war etwas verrückt – und ziemlich lecker! Offenbar war ich nicht die einzige, die das damals dachte: „Wir waren innerhalb kürzester Zeit ausverkauft. Für mich war das ein totaler Wendepunkt. Nach dem Straßenfest war für mich klar: das müssen wir weiterverfolgen.“
Ein verrückter, ein mutiger Schritt?
Für Dagmar bedeutete das auch einen Wendepunkt in ihrer bisherigen Karriere: Über 25 Jahre hatte sie sich eine erfolgreiche Karriere als Journalistin und Dokumentarfilmemacherin aufgebaut. „Klar, ich hatte einen Job, der mir riesengroßen Spaß gemacht hat und von dem ich auch wusste, dass ich ihn gut mache. Aber ich habe mir immer häufiger die Frage gestellt: Möchte ich für den Rest meines Lebens das machen, was ich gut mache, oder das, wofür ich wirklich brenne?“, so Dagmar. „In der Rückschau muss ich sagen, dass das Tollste an der Entscheidung war, dass ich so unfassbar aus meiner Komfortzone raus musste.“
Einfach sei das natürlich nicht immer. „Beflügelt von unserem ersten Erfolg haben wir schnell festgestellt: Köln ist ein schwieriger Markt für Gin. Hier wird eben viel Kölsch getrunken. Zudem mussten wir uns ein Vertriebs-Netzwerk zunächst einmal aufbauen. Und auch da gab es zahlreiche Learnings, zum Beispiel, dass die Gastronomie gar nicht unbedingt an einem Gin interessiert ist, den man pur trinken kann. Denn an der Bar bestellt man Gin Tonic“, erzählt Dagmar. Ginliebhaber, die sie von ihrem Gin überzeugen konnte, fand sie dennoch: in Concept Stores, Spirituosen- und Feinkostläden sowie auf Kölner Straßenfesten und Schlossmärkten.
„Auf einem dieser Schlossmärkte haben wir im Winter 2017 dann unsere zweite Ginsorte vorgestellt: Den Glühgin ‚Hot Fusion‘. Damit zählten wir wirklich zu einem der ersten Glühgin-Anbieter. Und bis heute gibt es nicht viele, die einen Glühgin in einer so fertigen Rezeptur anbieten, wie wir“, erzählt Dagmar. Das Besondere: Nach der Destillation wird der CGN Dry Gin mit weihnachtlichen Früchten und Gewürzen wie Vanilleschoten, Zimtstangen und Granatapfelkernen gelagert – und erhält so sein winterlich-würziges Aroma und die goldgelbe Farbe. Das kam gut an: „Tatsächlich ist der Glühgin bis heute unser erfolgreichstes Produkt, auch wenn wir ihn nur im Winter anbieten.“
2019 folgte dann ein weiterer, mutiger Schritt: Ginsanity vergrößerte sich und zog aus dem Keller in die Destillerie mit Shop in Braunsfeld. „Und dann kam Corona“, sagt Dagmar. Doch gerade in diesem letzten verrückten Jahr hat sich für die Gründerin bewiesen, dass eine eigene Manufaktur auch eine absolute Stärke sein kann, die viel Raum für agiles und flexibles Handeln lässt. So spendete sie zu Beginn der Pandemie, als Desinfektionsmittel ein knappes Gut war, 200 Liter ihres Alkohols, um in Kooperation mit einer Braunsfelder Apotheke Desinfektionsmittel zu produzieren.
Und auch in der gintastischen Welt von Dagmar und Michael hat sich in der Zwischenzeit einiges weiterentwickelt. Tastings können zwar gerade nicht in der Manufaktur selbst, aber online stattfinden – das nächste Mal am 24. April. Und auch neue Produkte haben sich zum Portfolio hinzugesellt: Jüngst ist mit der deutsch-schweizerischen Rösterei Romeo Kaffee ein Kaffeegin entstanden, der im Mai auf den Markt kommt. Für den Mosel-Winzer Christian Schardt stellt Dagmar Gin aus seinen Weintrauben her. Und auf Basis des CGN DRY GINS und des Raspberry Gins sind in Kooperation mit der Kölner Eismanufaktur CasaVecchio zwei Gin-Eis-Sorten entstanden, die im Handel erhältlich sind. „Ich liebe die Gin-Welt, die wir mit unserer kleinen Manufaktur geschaffen haben. Und ich genieße die Freiheit, von hier aus in alle Richtungen denken zu können und immer neue Möglichkeiten zu entdecken“, sagt Dagmar.
Verrückt, mutig, in jedem Fall beeindruckend ist die Geschichte von Dagmar, Michael und Ginsanity – und dank ihrer leckeren Produktionen ist Köln in jedem Fall auch etwas gintastischer geworden.